Neufassung von RDA 2.4.1.8: Nominalphrasen in der Verantwortlichkeitsangabe

Auf der Sitzung des JSC im November 2014 wurden auf der Basis der eingereichten Proposals verschiedene Änderungen am Regelwerkstext von RDA beschlossen. Die endgültige Fassung dieser Änderungen kann man vorab den sogenannten "Sec final"-Dokumenten entnehmen, die derzeit nach und nach auf der Website des JSC veröffentlicht werden. Die neuen Fassungen werden im April 2015 in das (englische) RDA Toolkit eingebracht und sind ab diesem Zeitpunkt gültig. In der deutschen Übersetzung werden sie erst etwas später zur Verfügung stehen. Eine interessante Änderung betrifft Nomen bzw. Nominalphrasen in der Verantwortlichkeitsangabe (RDA 2.4.1.8); sie geht auf ein Proposal der Library of Congress (6JSC/LC/28) zurück. Den bisherigen Textstand der Regelwerksstelle zeigt der Screenshot aus dem RDA Toolkit:

Screenshot aus dem RDA-Toolkit mit der bisherigen Regelwerksstelle 2.4.1.8
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Die Regelung war in den meisten Fällen völlig unproblematisch, wie das folgende Beispiel zeigt:

DIE KLEINE GROSSE STADT TÜBINGEN

Texte von

Walter und Inge Jens

Fotos von Stefan Moses 

und Joachim Feist

Natürlich gehören hier die Wörter "Texte" und "Fotos" jeweils zu den Verantwortlichkeitsangaben mit dazu (diese lauten "Texte von Walter und Inge Jens" und "Fotos von Stefan Moses und Joachim Feist").

Teilweise führte die Regelung jedoch auch zu großen Unsicherheiten: Sollte ein Nomen bzw. eine Nominalphrase wirklich in jedem Fall als Teil der Verantwortlichkeitsangabe gelten? Die Diskussionen entzündeten sich an Beispielen wie diesem:

PRIDE AND PREJUDICE

A Novel


By

Jane Austen

Vielfach wurde angenommen, dass die Titel- und Verantwortlichkeitsangabe gemäß der zitierten RDA-Regel folgendermaßen lauten müsste:

Pride and prejudice / a novel by Jane Austen

Die Gegenmeinung war, dass "a novel" hier gar nicht als Teil der Verantwortlichkeitsangabe intendiert sei und vielmehr als Titelzusatz anzusehen wäre, also:

Pride and prejudice : a novel / by Jane Austen

Die neue Fassung von RDA 2.4.1.8 schafft nun Klarheit:


"If:

the sequence, layout, or typography on the source of information indicates that a noun or noun phrase is intended to be part of the statement of responsibility

and

the noun phrase is indicative of the role of the person, family, or corporate body named in the statement of responsibility

then:

treat the noun or noun phrase as part of the statement of responsibility."


Das Nomen bzw. die Nominalphrase wird also nur dann als Teil der Verantwortlichkeitsangabe erfasst, wenn das Layout nahelegt, dass sie tatsächlich so intendiert ist. Im oben gezeigten Beispiel ist dies nicht der Fall. Stünde jedoch "a novel by Jane Austen" zusammen auf derselben Zeile, so würde das Ganze als Verantwortlichkeitsangabe gelten. Ein Beispiel für diesen Typ zeigt der folgende Ausschnitt aus einem Titelblatt (die gesamte Titelseite kann man in einer Leseprobe des Thienemann Verlags sehen):

Ausschnitt aus einer Titelseite mit dem Text "Der Räuber Hotzenplotz" in der ersten Zeile und "Eine Kasperlgeschichte von Otfried Preußler" in der zweiten Zeile
Ausschnitt aus der Titelseite von "Der Räuber Hotzenplotz" (Thienemann Verlag)

Die RDA-gerechte Lösung sieht folgendermaßen aus:

Der Räuber Hotzenplotz / eine Kasperlgeschichte von Otfried Preußler

Die Neufassung von RDA 2.4.1.8 hat auch Auswirkungen auf die Bewertung von formularartigen Angaben bei echten Hochschulschriften wie z.B.:

Inaugural-Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades

des Fachbereiches Humanmedizin

der Johann Wolfgang Goethe Universität-Frankfurt am Main


vorgelegt von


XY

aus Z

Bisher hatte man argumentieren können, dass das Ganze als Verantwortlichkeitsangabe aufzufassen sei (so haben wir es auch ins Lehrbuch geschrieben). Nunmehr ist jedoch klar, dass die Verantwortlichkeitsangabe erst bei "vorgelegt von" beginnt und der Teil davor ein Titelzusatz ist. In der Praxis ergibt sich daraus allerdings kein Unterschied: So oder so sollte man solche formularartigen Wendungen bei echten Hochschulschriften weglassen. Die relevanten Angaben werden stattdessen in strukturierter Form im Hochschulschriftenvermerk erfasst.

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 2
  • #1

    Bertrams (Freitag, 30 Januar 2015 12:10)

    Ist denn "eine Kasperlgeschichte von Otfried Preussler" wirklich "indicative of the role of the person"?

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Freitag, 30 Januar 2015 12:18)

    Der Einwand ist völlig berechtigt und die Formulierung "indicative of the role of the person" bereitet mir auch etwas Kopfzerbrechen. Aber nachdem in der Neufassung der Regelwerksstelle das Beispiel "a novel by John Rechy" als Verantwortlichkeitsangabe drin ist, scheint das "indicative of the role" recht großzügig ausgelegt zu werden.