Drei Minuten RDA: Paralleltitel und das restliche "parallele Universum"

Beschäftigen wir uns heute mal ein bisschen mit Paralleltiteln. Liegen Titelfassungen in unterschiedlichen Sprachen vor, so wird eine davon zum Haupttitel (RDA 2.3.2) bestimmt - die übrigen sind Paralleltitel (RDA 2.3.3). Interessanterweise ist das Kriterium dafür, welche Fassung zum Haupttitel gemacht wird, nicht ganz identisch mit dem, was wir von RAK gewohnt sind: Entscheidend ist nicht die Präsentation auf der Titelseite, sondern die Sprache, in der der Hauptteil der Ressource verfasst ist. Hat man beispielsweise einen Aufsatzband mit Beiträgen in zwei Sprachen vor sich, dann muss man prüfen, welche davon den größeren Umfang im Band ausmacht, und den dazu passenden Titel als Haupttitel erfassen (RDA 2.3.2.4). Oft genug funktioniert dieses Kriterium freilich nicht, weil die Sprachen ungefähr im selben Umfang vertreten sind oder weil es zu aufwendig wäre, die Sprache mit dem größten Umfang zu ermitteln. Dann wählt man denjenigen Titel als Haupttitel, der durch das Layout hervorgehoben ist oder der von der Reihenfolge her zuerst kommt. [Nachtrag vom 20.12.2015: Hier war ich einem Missverständnis aufgesessen, lesen Sie dazu das Update).

Screenshot mit dem Text von RDA 2.3.2.4
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Der Paralleltitel wurde in den D-A-CH als Zusatzelement definiert. Bei der Ausgestaltung haben wir uns an der Praxis der RAK orientiert (RDA 2.3.3.3 D-A-CH): Der erste Paralleltitel muss stets aufgeführt werden. Gibt es unter den weiteren Paralleltiteln noch einen deutschsprachigen, so wird auch dieser zwingend erfasst. Weitere Paralleltitel kann man erfassen, wenn man möchte.

Nach RAK wird ein Paralleltitel, der nicht auf der Titelseite steht, nur in Form einer Fußnote angegeben. In RDA gibt es jedoch für diesen Fall keine Sonderregel: Man darf Paralleltitel von beliebigen Stellen in der Ressource nehmen (RDA 2.3.3.2); ihre Behandlung ist identisch. Wenn man es für wichtig hält, kann man aber in einer Anmerkung zum Titel (RDA 2.17.2) darauf hinweisen, dass der Paralleltitel nicht von der bevorzugten Informationsquelle stammt (z.B. "Paralleltitel gegenüber der Titelseite").

Nach RAK wurden nur paralle Sachtitel erfasst. RDA kennt hingegen eine ganze Reihe von "parallelen" Elementen: den parallelen Titelzusatz (RDA 2.3.5), die parallele Verantwortlichkeitsangabe (RDA 2.4.3), die parallele Ausgabebezeichnung (RDA 2.5.3), den parallelen Erscheinungsort (RDA 2.8.3), den parallelen Verlagsnamen (RDA 2.8.5) etc. Dies sind alles fakultative Elemente, d.h. man kann sie erfassen, muss es aber nicht - wobei ich mich gerade frage, ob alle diese Elemente in der Implementierung berücksichtigt wurden, ob es also tatsächlich auch für alles entsprechende Felder oder Unterfelder geben wird (da muss ich mich erst noch schlau machen).

Am ehesten scheint es sinnvoll, parallele Titelzusätze zu erfassen, wie dies ja auch bisher schon gelegentlich praktiziert wurde. Ein interessanter Fall sind Verantwortlichkeitsangaben, bei denen nur die Funktionsangabe in mehreren Sprachen vorliegt, nicht aber der Name, z.B.:

 

Herausgegeben von/Edited by

Dirk Hoerder

 

Dafür hat die AG RDA eine Anwendungsregel erarbeitet (RDA 2.4.3.3 D-A-CH). Diese schließt aus, dass man daraus eine deutsche und eine englische Verantwortlichkeitsangabe macht - also nicht sowohl "herausgegeben von Dirk Hoerder" als auch "edited by Dirk Hoerder". Stattdessen soll man entweder nur die Verantwortlichkeitsangabe in der primären Sprache erfassen ("herausgegeben von Dirk Hoerder") oder eine einzige, mehrsprachige Verantwortlichkeitsangabe ("herausgegeben von/edited by Dirk Hoerder). Hier die Anwendungsregel im vollen Wortlaut:

Screenshot der D-A-CH-AWR zu RDA 2.4.3.3
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Hintergrund dieser Anwendungsregel ist, dass man aufgrund von RDA 1.7.7 (Buchstaben oder Wörter, die mehrfach gelesen werden sollen), auf die Idee kommen könnte, die Angabe doppelt zu erfassen. Das schien uns aber in diesem Fall keine so gute Lösung.

Nachtrag vom 26.03.2015: Frau Horny sagt mir gerade, dass es keine speziellen Felder für eine parallele Verantwortlichkeitsangabe, Ausgabebezeichnung etc. gibt. Wenn man so etwas erfassen will, müsste man also mit dem ISBD-Deskriptionszeichen, also einem Gleichheitszeichen, arbeiten. 

Nachtrag vom 20.12.2015: Zur Wahl des Haupttitels lesen Sie bitte das Update.

Heidrun Wiesenmüller

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