Vor einiger Zeit habe ich einen "Drei Minuten RDA"-Beitrag zum Thema Verlag bei echten Hochschulschriften gepostet. Damals hatte ich darauf hingewiesen, dass
im Hochschulschriftenvermerk die Hochschule nicht gemäß der vorliegenden Form angegeben wird, sondern in der Form ihres normierten Sucheinstiegs. Mit dem Toolkit-Update vom Oktober gab es
hier eine Änderung, auf die ich schon im entsprechenden Blog-Beitrag hingewiesen
hatte: Die
Hochschule wird nunmehr doch in der Form der Informationsquelle erfasst. Hier die entsprechende Stelle aus dem D-A-CH zu 7.9:
Diese Änderung ist eine Folge des Beschlusses des Standardisierungsausschusses, dass Universitäten nicht mehr normiert angesetzt werden. Man kann seitdem nicht mehr aus dem Kopf heraus sagen, wie
der Sucheinstieg aussieht, sondern müsste jedes Mal in der GND recherchieren (und es müssen natürlich auch erst einmal alle Universitäten geprüft und ggf. umgearbeitet werden). Unter diesen
Umständen erschien es sinnvoll, die Vorgabe zu ändern.
Dirk M. Steinert hat in seinem Kommentar zu dem älteren Blog-Beitrag auf ein Dokument aus seiner Feder mit dem Titel Echte Hochschulschriften und ihre Katalogisate in rechtlicher Perspektive verlinkt. Das haben vermutlich nicht alle Leser dieses Kommentars einordnen können; deshalb hier eine Erläuterung: Der Hintergrund von Herrn Steinerts Überlegungen ist eine noch laufende Diskussion um unsere bisherige Regelung zur Erfassung von Veröffentlichungsangaben bei echten Hochschulschriften, wie sie sich derzeit noch in den D-A-CH findet:
"Ist bei einer Hochschulschrift weder ein kommerzieller Verlag noch eine verlegende Körperschaft genannt, so wird der Hochschulort als Erscheinungsort angegeben." (RDA 2.8.2.1 D-A-CH)
"Ist bei einer Hochschulschrift weder ein kommerzieller Verlag noch eine verlegende Körperschaft genannt, so wird der Name der Hochschule (gemäß der Informationsquelle) als Verlagsname angegeben." (RDA 2.8.4.1 D-A-CH).
Gegen diese Regelung sind vor kurzem juristische Bedenken vorgetragen worden. Soweit ich es als Laie verstanden habe (juristisch besser bewandertere LeserInnen dürfen gerne präzisieren oder korrigieren), wird zum einen befürchtet, dass dies die Urheberrechte des Verfassers beschneiden könnte (weil die Hochschule als Verlag gewisse Nutzungsrechte beanspruchen könnte). Zum anderen würde die Nennung als Verlag implizieren, dass die Hochschule eine gewisse Verantwortung für den Inhalt trägt. Womöglich müsste sie dann dafür haften, wenn z.B. der Verfasser unerlaubtes Bildmaterial verwendet hat.
Was mich persönlich an dieser Argumentation etwas verwundert, ist die Annahme, dass eine Bibliothek durch die Katalogisierung einer Ressource in der einen oder anderen Weise einen neuen
Rechtsstatus schaffen könnte. Ein Beispiel: Eine Katalogisiererin verknüpft versehentlich ein Buch von Petra Müller #1 mit dem Normdatensatz von Petra Müller #2. Gehen dadurch die Urheberrechte
an dem Werk auf Petra Müller #2 über? Nein, denn Petra Müller #1 bleibt trotz des Fehlers im Katalog die Verfasserin und behält alle ihre Rechte. Sollte es also tatsächlich zu einem Rechtsstreit
über einen der oben genannten Aspekte kommen: Müsste dann ein Gericht nicht die tatsächliche Sachlage prüfen - und wäre dies nicht völlig unabhängig davon, wie die Titelaufnahme im Katalog
aussieht?
Aber ich bin halt keine Juristin und kann die Validität der Einwände deshalb nicht wirklich beurteilen. Soweit ich sehe, argumentiert aber auch Steinert damit, dass "die erfasste
Veröffentlichungsangabe als solche keine verbindliche Aussage über den Inhaber urheberrechtlicher Berechtigungen" beinhaltet (S. 4).
Jedenfalls wurde entschieden, dass wir eine neue Regelung für die Veröffentlichungsangabe bei echten Hochschulschriften brauchen. Das Thema steht bei der nächsten Sitzung der AG RDA am 24. und
25. November auf der Tagesordnung. Ich hoffe, dass dort eine praktikable Neuregelung gefunden werden kann.
Nachtrag: Bitte lesen Sie dazu das Update vom 20. Dezember 2015.
Heidrun Wiesenmüller