In meiner kleinen Reihe "Highlights aus dem neuen D-A-CH-Release" nun der dritte Teil: mehrere neue Erläuterungen aus dem Bereich der Veröffentlichungsangabe. Da hier sehr viele Fragen aus der Praxis auftauchten, hat sich eine kleine Ad-hoc-Arbeitsgruppe (der, wie so oft, auch ich angehörte) mit den fraglichen Punkten beschäftigt und Lösungen dafür erarbeitet. Diese sind bei RDA 2.8.2.3 und 2.8.4.3 nachzulesen. Bei den Erscheinungsorten gibt es jetzt sowohl eine Erläuterung für Imprints als auch eine für die Nennung von Ortsteilen. Hier der Volltext (als Screenshot aus dem im RDA-Info-Wiki veröffentlichten PDF der D-A-CH mit Stand Februar 2016):
Bei den Verlagsnamen waren wir noch fleißiger und haben nicht weniger als vier Punkte bearbeitet.
Zahlreiche Fragen rankten sich um den Umgang mit Logos. Eine nähere Analyse ergab, dass man dabei drei Fälle unterscheiden muss. Entsprechend ist das neue D-A-CH aufgebaut, das ich der Einfachheit halber wieder in seiner Gänze abbilde (mit einem Klick darauf können Sie die Screenshots vergrößern):
Zur Ergänzung hier noch das Logo aus dem letzten Beispiel im Original:
Desweiteren haben wir uns mit Selbstverlagen beschäftigt. Das Ergebnis sieht folgendermaßen aus (man beachte, dass ich dabei auch persönlich in einem Beispiel "verewigt" wurde):
Außerdem ging es auch hier nochmals um die Imprints: Eine typische Frage ist, ob man nur den Namen des Imprints oder ggf. auch eine längere Angabe, welche auch den Namen des Verlagshauses enthält, erfassen soll. Im Lehrbuch haben wir empfohlen, nur den Namen des Imprints zu erfassen, und dies mit der optionalem Weglassung bei RDA 2.8.4.3 begründet (diese lautet: "Lassen Sie Stufen in einer Hierarchie einer Körperschaft weg, die nicht notwendig sind, um den Verlag zu identifizieren."). Hier die einschlägige Stelle aus "Basiswissen RDA" (S. 49):
"Nicht zu verwechseln ist dieser Fall [gemeint: die Beteiligung mehrerer Verlage] mit einem sogenannten Imprint: Dabei teilt ein Verlag sein Programm in mehrere Segmente unter eigenen Namen auf. Häufig wird dabei der Name eines aufgekauften Verlags als Marke weitergeführt. Dann erscheint z. B. "Artemis & Winkler" auf der Titelseite und "Patmos Verlag" auf deren Rückseite, oder man stößt auf Angaben wie "BirCom, ein Imprint des Birkhäuser Verlags". In diesen Fällen sollte man nur den Imprint ("Artemis & Winkler" bzw. "BirCom") angeben und den übergeordneten Verlag weglassen (RDA 2.8.4.3, optionale Weglassung)."
Mittlerweile ist mir jedoch klar geworden, dass man gar nicht auf die optionale Weglassung zurückgreifen muss, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Man kann viel einfacher damit argumentieren, dass man eben nur den Namen des Imprints selbst als Verlagsnamen im Sinne der Definition unter RDA 2.8.4 auffasst ("Ein Verlagsname ist der Name einer Person, einer Familie oder einer Körperschaft, die für das Veröffentlichen, die Freigabe oder die Herausgabe einer Ressource verantwortlich ist"). Eine Angabe wie "ein Imprint des Birkhäuser Verlags" ist dann nicht Teil des Verlagsnamens, sondern nur ein beschreibender bzw. erläuternder Zusatz.
Auch im neuen D-A-CH ist die Beschränkung auf den eigentlichen Namen des Imprints als Regelfall vorgesehen. Wer möchte, darf aber stattdessen auch die gesamte Angabe übertragen:
Last not least ging es um Personennamen, die benachbart zu Verlagsnamen erscheinen. Wollte man hier eine Regel aufstellen, wann man diese mit erfasst und wann nicht (in Abhängigkeit von der genauen Position der Angaben und ihrer Typographie), so käme etwas hochgradig Kompliziertes heraus. Wir haben uns deshalb in diesem Bereich für absolute Liberalität - bzw. in RDA-Sprech das berühmte "cataloger's judgment" entschieden:
Ich denke, dass wir mit den neuen Erläuterungen eine ganze Reihe von Fragen geklärt haben und hoffe, dass sich die D-A-CHs in der Praxis bewähren werden.
Heidrun Wiesenmüller
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Martina Koring (Freitag, 22 Januar 2016 11:55)
Bei den Erscheinungsorten ist mir der Unterschied zwischen dem zweiten und dem dritten Beispiel nicht ganz klar geworden. Oder liegt die unterschiedliche Behandlung nur daran, dass im zweiten Beispiel das Land mit genannt ist?
Heidrun Wiesenmüller (Freitag, 22 Januar 2016 13:16)
Liebe Frau Koring,
das erste und zweite Beispiel sollen den Fall "Ortsteil mit dem Hauptteil fest verbunden" illustrieren: Im ersten Fall besteht die Verbindung in einem Bindestrich ("Bonn-Bad Godesberg"), im zweiten ist es eine Adjektiv-Substantiv-Verbindung ("South Melbourne", ein Vorort von Melbourne). In diesen Fällen soll man die komplette Angabe abschreiben und nicht auf den Hauptort verkürzen (also nicht nur "Bonn" und nicht nur "Melbourne").
Das dritte Beispiel illustriert den Fall, dass der Ortsteil ("Hammersmith") mit dem Hauptort ("London") nicht fest verbunden ist. Die beiden Angaben stehen sozusagen nur lose nebeneinander; sie sind durch ein Komma getrennt. Hier kann man nun selbst entscheiden, ob man nur den Hauptort ("London") oder die gesamte Angabe ("Hammersmith, London") übernimmt. Ich persönlich würde bei diesem Beispiel die kurze Version, also nur "London", vorziehen.
Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller
Martina Koring (Montag, 25 Januar 2016 08:29)
Liebe Frau Wiesenmüller,
danke für die Antwort. Mir dämmerte es dann auch noch, warum "South Melbourne" so behandelt wurde. Manchmal hilft auch einfach mal drüber schlafen ;)
Karin Rose (Montag, 25 Januar 2016 15:45)
Liebe Frau Wiesenmüller,
ich bin im Zweifel bei folgendem Beispiel: Melbourne Docklands, Australia.
Dies ist keine Adjektiv-Subjektiv-Verbindung wie South Melbourne, es fehlt aber auch das Komma wie im Beispiel Hammersmith, London. Stehen die beiden Angaben nur lose nebeneinander oder das doch irgendwie eine grammatikalische Verbindung (Apposition?).
Ich habe mich daher dafür entschieden, den Ortsteil mit anzugeben.
Viele Grüße von Karin Rose.
Heidrun Wiesenmüller (Montag, 25 Januar 2016 20:27)
Liebe Frau Rose,
dass Sie immer so interessante Beispiele haben :-)
Auch ich denke, dass hier eine feste Verbindung vorliegt (auch wenn es nicht so deutlich ist wie im Deutschen, wo wir Bindestriche verwenden) und hätte wie Sie entschieden. Aber das Schöne an der Neuregelung ist ja, dass es auch nicht verboten ist, alles anzugeben, wenn nur eine lose Verbindung vorliegt. Insofern wäre meine Faustregel: im Zweifelsfall alles angeben.
Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller
Kerstin Bauer (Montag, 01 Februar 2016 18:03)
Sehr geehrte Frau Wiesenmüller,
so richtig erschliessen sich mir die Beispiele 4 und 5 zu "Selbstverlage" nicht. Ich zitiere:
"RDA D-A-CH AWR für 2.8.4.7. KEIN VERLAG ANGEGEBEN
Erläuterung:
Ist der Verlag nicht angegeben und auch nicht ermittelbar, so erfassen Sie „[Verlag nicht ermittelbar]“. Ist letzteres der Fall, so können Sie zusätzlich einen Vertriebsnamen (2.9.4) und/oder einen Herstellernamen (2.10.4) erfassen, sofern dieser in den Quellen angegeben ist oder ermittelt werden kann. Erfassen Sie die Elemente Vertriebsname und Herstellername in diesem Fall im Rahmen der Vertriebs- bzw. Herstellungsangabe und nicht als ermittelten Verlagsnamen."
Warum soll denn etwas partout erfasst werden, was in der Quelle (weder Verlag noch Vertrieb und Hersteller) weder in der Form genannt noch zu ermitteln ist? Wäre es nicht im Sinne des Datenaustausches besser, in genau diesen Fällen das [... nicht ermittelbar] anzuwenden? -
"Interpretation" ist etwas sehr Subjektives!
Freundliche Grüße aus Weimar
Kerstin Bauer
Heidrun Wiesenmüller (Dienstag, 02 Februar 2016 11:28)
Liebe Frau Bauer,
ich sehe das nicht so. Beides sind sind m.E. eindeutige Fälle, in denen wir auch bisher schon von einem Selbstverlag ausgegangen sind. Das vierte Beispiel steht stellvertretend für Publikationen, wie man sie oft in Pflichtexemplarbibliotheken vorfindet. Sie werden normalerweise auch vom Autor selbst abgeliefert, sodass kein Zweifel daran besteht, dass dieser selbst als Verlag agiert hat. Und bei Körperschaften war es unter RAK doch auch schon so, dass bei grauer Literatur eine Körperschaft anstelle des Verlags angegeben wurde. In RAK meinte "Verlag" freilich nur einen kommerziellen Verlag. In RDA wird der Begriff weiter verwendet: Auch eine Person oder eine Körperschaft kann die Rolle eines Verlags übernehmen. Die Angabe "[Verlag nicht ermittelbar]" sollte m.E. auf Fälle beschränkt bleiben, wo wir die Person oder Körperschaft, die die Verlagsfunktion erfüllt hat, wirklich nicht herausbekommen können.
Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller
Hanke Immega (Dienstag, 02 Februar 2016 12:38)
Gerade die D-A-CH-Beispiele zu Körperschaften und Selbstverlagen finde ich sehr hilfreich, weil es immer wieder Unsicherheiten gab und in der Praxis auf einen Drucker ausgewichen wurde statt die Körperschaft zu erfassen, über die eine Manifestation zu beziehen war.
Die Entscheidung für die jeweils ermittelte Information (in eckigen Klammern) macht mir allerdings Probleme, wenn die Informationen zur Verantwortlichkeits- und zur Veröffentlichkeitsangabe wie häufig bei "grauer Literatur" in einem Atemzug und vermischt aufgeführt sind; die Doppeldeutigkeit ist dann ja vermutlich auch beabsichtigt, z.B.:
Red.: Person ABC
Hrsg.: Körperschaft XYZ
c 2016
oder auf der Titelseite:
Text: Maria Testarossa
Versuchsstr. 17, 12345 Probstadt
alle Rechte vorbehalten
Die Körperschaft bzw. die Verfasser-/Selbstverlegerin wären jetzt ja logischerweise entweder in der Verantwortlichkeits- oder der Veröffentlichungsangabe eckig zu klammern. Besonders wenn es einleitende Wendungen gibt, die typisch für eine Verantwortlichkeitsangabe sind, während dann Adress- oder Copyrightangaben folgen, die eigentlich auf eine Veröffentlichungsangabe hindeuten, finde ich die Entscheidung für die Klammer hier oder dort schwierig. Oder muss ich mich da noch mehr an Entscheidungen nach "cataloguer's judgment" gewöhnen?
Viele Grüße,
Hanke Immega.
Heidrun Wiesenmüller (Dienstag, 02 Februar 2016)
Lieber Hanke,
ja, das ist eine schwierige Sache.
Ich sehe es als ein Grundprinzip des Katalogisierens an, dass wir eine Angabe, die nur einmal auf der Ressource steht, auch nur einmal verwenden können - und nicht sozusagen doppelt für zwei unterschiedliche Elemente. Wenn man also das, was als Verlag verwendet werden soll, wirklich nur einmal in der Ressource stehen hat, muss man sich tatsächlich entscheiden, für welches Element man die Angabe verwendet.
Hier gibt es, wie mir scheint, durchaus unterschiedliche Wahrnehmungen und Vorlieben (wie ich erst jüngst in einer Diskussion mit einer Kollegin festgestellt habe). Ich persönlich tendiere dazu, aus solchen Angaben zuerst einmal eine Verantwortlichkeitsangabe zu bilden (was dann auch bedeutet, dass ich die eckigen Klammern eher in der Veröffentlichungsangabe setzen würde). Eine Verantwortlichkeitsangabe würde ich z.B. auch daraus machen, wenn eine Körperschaft ohne einleitende Wendung im unteren Bereich der Titelseite steht. Andere könnten aber argumentieren, dass dies eine "Impressums-Position" ist und man die Angabe deshalb eher als Verlagsnamen erfassen sollte.
Ich weiß hier leider keine einfache Lösung. Ich fürchte, es läuft auf "cataloger's judgement" heraus.
Viele Grüße
Heidrun
Gerd Witte (Mittwoch, 01 Februar 2017 18:30)
Wieso muss man sich entscheiden für welches Element man die Körperschaft verwendet.
Spricht etwas dagegen die Körperschaft sowohl in Veröffentlichungsangabe als in der Verantwortlichkeitsangabe einzutragen?
Wieso kommt die Veröffentlichungsangabe in eckige Klammern, wenn Sie zuerst eine Verantwortlichkeitsangabe bilden?
Ist es nicht sowohl für Veröffentlichungsangabe als auch für Verantwortlichkeitsangabe so, dass nur bei Quellen außerhalb der Ressource geklammert wird?
Heidrun Wiesenmüller (Mittwoch, 01 Februar 2017 21:22)
Lieber Herr Witte,
ich habe das eigentlich schon in meiner Antwort an den Kollegen Immega (Kommentar #9) gesagt: Wenn etwas nur einmal da steht, können Sie es nicht zweimal in der Beschreibung aufführen. Das scheint mir ein Grundprinzip der bibliografischen Beschreibung zu sein, völlig unabhängig vom verwendeten Regelwerk. Wir sollen ja die Ressource abbilden. Und deshalb können wir nicht einfach etwas "verdoppeln". Wenn wir der Meinung sind, dass wir die Angabe zweimal haben müssen, dann müssen wir eine davon eckig klammern - um anzuzeigen, dass der Text eben nicht zweimal in der Vorlage steht.
Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller
Gerd Witte (Donnerstag, 02 Februar 2017 11:17)
Das hätte ich schon gerne gewusst in welchem Regelwerk und/oder Lehrbuch Ihre apodiktische Behauptung steht. Oder haben Sie das jetzt in Katalogisierungslehre eingeführt?
Dann wäre diese Aufnahme nicht ganz richtig?:
http://d-nb.info/1105410668
100bGundlach, Thies [Herausgeber]
200bEvangelische Kirche in Deutschland / Kirchenamt
331 Gott neu vertrauen
359 EKD ; Redaktion Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): Thies Gundlach (verantwortlich), Rolf Becker, Konrad Merzyn, Henning Kiene
410 Hannover
412 Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
die Vorlage ist hier anzuschauen:
https://r2017.org/fileadmin/downloads/ekd_das_magazin_zum_reformationsjubilaeum-gott_neu_vertrauen.pdf
Oder liegt eine "Verdoppelung" dann *nicht* vor, wenn Per oder Kor zweimal im Impressum vorkommen?
IMPRESSUM
Redaktion
Kirchenamt der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD):
Thies Gundlach (verantwortlich),
Rolf Becker, Konrad Merzyn,
Henning Kiene
Kirchenamt der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD)
Herrenhäuser Straße 12
30419 Hannover
Heidrun Wiesenmüller (Donnerstag, 02 Februar 2017 11:29)
Die von Ihnen als Beispiel gebrachte Aufnahme ist durchaus korrekt. Und Sie sind ja auch selbst darauf gekommen, warum: Der obere Teil des zitierten Blocks wurde für die Verantwortlichkeitsangabe verwendet, der untere für die Verlagsangabe. Wenn es zweimal da steht, kann man es auch an zwei Stellen verwenden.
Ansonsten sehen Sie mich ratlos - ich weiß nicht, was an meiner Aussage apodiktisch sein soll. So geht eben bibliografische Beschreibung: Wir finden Informationen in der Vorlage, bewerten diese (indem wir z.B. sagen "Dies ist eine Verantwortlichkeitsangabe") und erfassen sie an der entsprechenden Stelle. Wenn wir eine Angabe eingeordnet und erfasst haben, können wir nicht dieselbe Angabe gleichzeitig zu einem anderen Element machen und nochmals an einer anderen Stelle hinschreiben.
So etwas müsste über eine spezielle Ausnahmeregel erlaubt sein - kennen Sie eine solche? RDA hat nur eine Regelung für Wörter/Buchstaben, die offensichtlich mehrfach gelesen werden sollen; diese werden dann tatsächlich mehrfach erfasst (RDA 1.7.7). Das ist aber ein sehr spezieller Fall und passt gewiss nicht auf die doppelte Verwendung einer Körperschaftsangabe in Verantwortlichkeits- und Veröffentlichungsangabe.