Monografische Reihen: Abschaffung der hierarchischen Beschreibung?

Unter RDA ist es nicht mehr zwingend vorgeschrieben, gezählte monografische Reihen hierarchisch zu beschreiben. Der HeBIS-Verbund hat die hierarchische Beschreibung monografischer Reihen vor kurzem vollständig abgeschafft: "Teile aus monografischen Reihen werden analytisch unter Verzicht auf eine Verknüpfung zur Aufnahme der Reihe erschlossen", heißt es in den Verbundfestlegungen (Version 3, Stand 10.12.2015, S. 2). Soweit ich weiß, haben drei weitere Verbünde (BVB, KOBV und GBV) die Anwendung "flexibilisiert", d.h. es ihren Bibliotheken freigestellt, ob sie die hierarchische Beschreibung für monografische Reihen weiter verwenden oder nicht. Ich verfolge diese Entwicklung mit großer Sorge und, offen gesprochen, auch mit einigem Unverständnis. Denn nach meiner Einschätzung ist die hierarchische Beschreibung der analytischen nicht nur im Ergebnis merklich überlegen, sondern sie ist auch weitaus effizienter und rationeller.

Die drei Arten der Beschreibung nach RDA, Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)
Die drei Arten der Beschreibung nach RDA, Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Analytische und hierarchische Beschreibung

Beginnen wir mit einem Blick auf die drei unterschiedlichen Beschreibungsarten in RDA, die vor allem für Dinge wie mehrteilige Monografien (früher "mehrbändige Werke") und monografische Reihen (früher "Schriftenreihen") relevant sind: Bei der umfassenden Beschreibung gibt es nur eine Beschreibung für das Ganze, d.h. nur einen einzigen Datensatz für die mehrteilige Monografie bzw. die monografische Reihe in ihrer Gesamtheit. Bei der analytischen Beschreibung gibt es nur Datensätze für die einzelnen Teile, also einen für jeden Band der mehrteiligen Monografie bzw. monografischen Reihe. Bei der hierarchischen Beschreibung gibt es sowohl einen Datensatz für das Ganze als auch Datensätze für die Teile. Diese stehen zueinander in einer Teil/Ganzes-Beziehung und sind auch datentechnisch miteinander verbunden. Im Katalog werden sie im Zusammenhang präsentiert - in der Regel so, dass man zwischen dem Datensatz für das Ganze und den Datensätzen für die Teile hin und her springen kann.

Unter RAK (§ 110, 1 u. 3) wurden Bände einer ungezählten monografischen Reihe analytisch beschrieben. Für gezählte Reihen legte man hingegen im Normalfall eine hierarchische Beschreibung an (Ausnahmen waren möglich, insbesondere für gezählte Verlegerserien). Dahinter stand die Annahme, dass eine Suchanfrage nach sämtlichen Bänden einer ungezählten Reihe ohnehin nur sehr selten vorkommt. Daher schien es ausreichend, den Haupttitel der Reihe in der Gesamttitelangabe der einzelnen Bände zu erfassen. Weitere Angaben wie ISSNs und Titelzusätze, die es gelegentlich auch bei ungezählten Reihen gibt, wurden grundsätzlich nicht erfasst - man nahm in Kauf, dass man nach ihnen nicht suchen konnte. Anders bei den gezählten monografischen Reihen: Viele von ihnen haben einen wissenschaftliche Charakter und enthalten hochrelevante Fachliteratur für die jeweilige Disziplin. Hier ist durchaus zu erwarten, dass NutzerInnen nicht nur nach speziellen, ihnen bereits bekannten Bänden suchen, sondern unmittelbar nach der Reihe selbst.

Beschreibung der monografischen Reihe als Ganzes

Entsprechend wurde bei gezählten monografischen Reihen grundsätzlich auch eine Gesamtaufnahme angelegt. In dieser sind alle bibliografischen Angaben erfasst, die sich auf die Reihe als Ganzes beziehen. Für die Recherche relevant sind insbesondere Titelzusätze und Varianten des Titels wie Paralleltitel oder Kurztitel (z.B. "MIÖG" für "Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung") sowie die ISSN.

Titelzusätze sind recherchetechnisch von besonderer Bedeutung. Zum einen sind sie oft aussagekräftiger als der Haupttitel: Beispielsweise erklärt bei der unten abgebildeten monografischen Reihe "Orbis mediaevalis" erst der Titelzusatz "Vorstellungswelten des Mittelalters", um was es hier eigentlich geht. Zum anderen enthalten Titelzusätze häufig Stichwörter, die auch für eine thematische Recherche nützlich sind. Ein Beispiel ist die Reihe "Zivilrechtliche Schriften" mit dem Titelzusatz "Beiträge zum Wirtschafts-, Bank- und Arbeitsrecht" (wobei man hier sinnvollerweise auch noch die Wörter "Wirtschaftsrecht" und "Bankrecht" suchbar machen würde).

Anzeige einer monografischen Reihe im Pica-OPAC des SWB
Anzeige einer monografischen Reihe im Pica-OPAC des SWB

Monografische Reihen haben außerdem nicht selten eine starke Assoziation zu einer Körperschaft (z.B. "Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V."). Der Normdatensatz der Körperschaft wird mit dem Titeldatensatz für die Reihe verknüpft, sodass alle Namensvarianten - beispielsweise auch die Kurzform - für die Recherche zur Verfügung stehen. Die (menschlichen) Herausgeber von monografischen Reihen wurden und werden hingegen normalerweise nicht berücksichtigt. Denn zum einen wechseln sie häufig, was man dann jeweils im Titeldatensatz nachvollziehen müsste. Zum anderen merkt man sie sich meist sowieso nicht - selbst bei Reihen, mit denen man öfter zu tun hat.

Neben den vielfältigen Suchmöglichkeiten bringt die Existenz einer Gesamtaufnahme den BenutzerInnen noch einen weiteren Vorteil: Kommt es aufgrund einer größeren Titeländerung zu einem Titelsplit, wird der neue Datensatz mit dem bestehenden verknüpft. Man sieht dann also, dass die Reihe nicht einfach "aufhört", sondern dass es eine Nachfolge-Reihe gibt - und kann diese mit einem einzigen Klick aufrufen.

Bandlisten

Bei einer wissenschaftlichen monografischen Reihe ist es außerdem eine durchaus sinnvolle Fragestellung, sich alle darin erschienenen Bände anzeigen zu lassen - beispielsweise, um sich über die aktuellen Publikationen in einer für das eigene Forschungsgebiet einschlägigen Reihe zu informieren. Noch häufiger kommt es vermutlich vor, dass man von einem interessanten Einzelband aus zur Bandliste kommt. Ganz im Sinne der viel beschworenen Serendipity kann man auf diesem Weg weitere Dinge entdecken, die ebenfalls von Interesse sein könnten - nämlich andere Bände in derselben Reihe. Technisch wird die Auflistung der Bände durch die Verknüpfung des Datensatzes für die Reihe mit den Datensätzen für die einzelnen Bände erreicht.

Zu Recht kritisiert wird allerdings seit langem die schlechte Umsetzung der Bandliste in vielen Katalogen. Häufig muss man erst auf einen speziellen Link drücken, um die Bandliste zu sehen. Im obigen Screenshot aus dem Pica-OPAC des SWB heißt dieser Link "Zeige Bände". Verständlicher finde ich es, wenn die Einzelbände direkt unterhalb der Titelaufnahme für die Reihe angezeigt werden. Der aDIS-OPAC bietet eine solche Anzeige (allerdings nur bis zu einer bestimmten Obergrenze bei der Zahl der Bände), wie man im folgenden Beispiel aus dem Katalog der WLB Stuttgart sieht:

Anzeige einer monografischen Reihe im aDIS-OPAC der WLB Stuttgart
Anzeige einer monografischen Reihe im aDIS-OPAC der WLB Stuttgart

Es wäre schön, wenn eine für NutzerInnen gut verständliche Umsetzung der Bandliste endlich in allen Online-Katalogen und Datenbanken realisiert würde! Ein Hexenwerk wäre dies gewiss nicht - nur muss man es eben bei den Anbietern energisch einfordern.

Die Bände erscheinen in der Bandliste nach der Bandnummer sortiert - auch dann, wenn sie gar nicht in dieser Reihenfolge erschienen sind. Das kommt bei monografischen Reihen manchmal vor, z.B. wenn sich die Fertigstellung eines Bands verzögert. Mit Hilfe einer Sortierzählung wird außerdem dafür gesorgt, dass alle Auflagen eines Bands direkt beieinander stehen. Im obigen Screenshot sieht man dies beim ersten Band, der 1999 in erster Auflage und 2008 in zweiter Auflage erschienen ist.

D-A-CH-Regelung

Was sagen nun die deutschsprachigen Anwendungsrichtlinien zu den monografischen Reihen? In der D-A-CH-AWR zu RDA 1.5.4 wurde festgelegt:

"Monografische Reihen, deren Teile gezählt sind, können hierarchisch beschrieben werden. Monografische Reihen, deren Teile ungezählt sind, werden nicht hierarchisch beschrieben. Die Teile erhalten eine analytische Beschreibung."

Bei ungezählten monografischen Reihen wird also die RAK-Tradition fortgesetzt. Bei gezählten monografischen Reihen ist es nun jedoch freigestellt, ob sie hierarchisch beschrieben werden oder nicht. Bei Verlegerserien ist eine hierarchische Beschreibung m.E. in der Tat nicht nötig; im Folgenden lasse ich deshalb diesen Fall beiseite.

Aufwand

Die Vermutung liegt nahe, dass man mit dem Verzicht auf die hierarchisches Beschreibung den Aufwand bei der Erfassung verringern will. Spart man also wirklich Zeit, wenn man nur noch analytisch erfasst?

Es ist natürlich richtig, dass bei der hierarchischen Beschreibung ein Datensatz mehr angelegt werden muss als bei der analytischen Beschreibung, nämlich der für die monografische Reihe als Ganzes. Dies erfolgt aber nur ein einziges Mal. Und in einem Verbundkontext ist die Chance groß, dass es schon eine andere Bibliothek erledigt hat.

Titelaufnahmen für monografische Reihen sind unter RDA auch nicht sonderlich aufwendig oder schwierig. Vieles ist immer gleich, so dass man es sich auf eine entsprechende Vorlage bzw. Satzschablone legen kann. Personen werden, wie schon gesagt, ohnehin nicht erfasst. Und die ISSN muss nur ein einziges Mal eingegeben werden (nämlich in diesem übergeordneten Datensatz), genauso wie etwaige in Beziehung stehende Körperschaften.

Mit einem Klick legt man in SWB-Pica einen neuen Band an
Mit einem Klick legt man in SWB-Pica einen neuen Band an

Das Anlegen eines neuen Bands geht sehr komfortabel. In "meinem" System (SWB-Pica) genügt - ausgehend von der Reihe - ein Klick bzw. ein entsprechender Hotkey. Es erscheint dann ein Formular für den Band, in dem nicht nur die Verknüpfung zum übergeordneten Datensatz bereits eingetragen ist, sondern auch der Haupttitel der Reihe in der Gesamttitelangabe. Man muss dann nur noch die Bandnummer und ggf. eine Sortierzählung ergänzen. Übrigens werden auch Ort und Verlag automatisch in den Datensatz für den Band kopiert, was wiederum Zeit spart.

Das automatisch vorausgefüllte Formular für den Band-Datensatz
Das automatisch vorausgefüllte Formular für den Band-Datensatz

Bei analytischer Beschreibung muss hingegen die Gesamttitelangabe von null an eingegeben werden, d.h. man muss auch den Haupttitel der Reihe vollständig eintippen. Wenn man sich darauf beschränkt, ist natürlich auch nur dieser suchbar. Gemäß RDA wäre es aber durchaus möglich, in der Gesamttitelangabe noch weitere Informationen zu erfassen (ich beschränke mich hier auf die Reihe selbst; zusätzlich könnte es auch noch Unterreihen geben):

  • Paralleltitel der Reihe (RDA 2.12.3)
  • Titelzusatz der Reihe (RDA 2.12.4)
  • paralleler Titelzusatz der Reihe (RDA 2.12.5)
  • Verantwortlichkeitsangabe, die sich auf die Reihe bezieht (RDA 2.12.6)
  • parallele Verantwortlichkeitsangabe, die sich auf die Reihe bezieht (RDA 2.12.7)
  • ISSN der Reihe (RDA 2.12.8)

Diese Informationen konsistent in der Gesamttitelangabe jedes Bands anzugeben, wäre allerdings sehr aufwendig. In MARC gibt es außerdem für das meiste davon keine speziellen Unterfelder. In HeBIS wird gemäß der Verbundfestlegungen aus den oben angeführten Elementen nur die ISSN routinemäßig erfasst; für diese wurde ein neues Unterfeld eingerichtet. Das heißt aber natürlich auch, dass man sie bei jedem Band von neuem eintippen muss - vermutlich dauert schon dies genau so lange wie das Verlinken mit dem Datensatz für die Reihe bei hierarchischer Beschreibung. Eine manuelle Eingabe bringt zudem immer die Gefahr des Vertippens mit sich. Ansonsten ist nur noch die Verantwortlichkeitsangabe möglich, aber nur in relativ wenigen Fällen ("wenn der Titel der Reihe nur aus einem Gattungsbegriff oder einem durch formale Attribute erweiterten Gattungsbegriff besteht").

In der Gesamttitelangabe fehlen also für die Suche relevante Angaben wie z.B. Reihen-Titelzusätze. Bei herausgebenden Körperschaften steht in vielen Fällen nicht einmal die Vorlageform im Datensatz, weil keine Verantwortlichkeitsangabe geschrieben wird. Vorstellen könnte ich mir allerdings, dass Katalogisierende unter den geänderten Bedingungen bei den Bänden öfter Beziehungen zu herausgebenden Körperschaften anlegen, um diese suchbar zu machen. Bei einer hierarchischen Beschreibung würde man auch dies natürlich nur einmal machen, nämlich im Datensatz für die Reihe als Ganzes (vgl. RDA 19.3.1.3 D-A-CH).

Wie man sieht, führt die analytische Beschreibung zu erheblichen Redundanzen. Auf der anderen Seite gehen Recherchen ins Leere, weil wichtige Informationen wie z.B. Titelzusätze und Titelvarianten in der Gesamttitelangabe nicht erfasst sind.

Bandlisten bei analytischer Beschreibung

Wie sieht es nun bei analytischer Beschreibung aus, wenn man sich alle Bände einer monografischen Reihe anzeigen lassen will? Als Basis für die Bandliste stehen nur die Informationen aus der Gesamttitelangabe zur Verfügung. Bei einer Stichwortrecherche ist deshalb das Risiko groß, dass die Trefferliste nicht nur die Bände der gewünschten Reihe enthält, sondern auch noch vieles andere, was zufällig zu den Suchbegriffen passt. In manchen Katalogen kann man seine Suche aber zumindest auf die Gesamttitelangabe einschränken.

Auch kann man nicht davon ausgehen, dass man die Bände nach ihrer Nummer sortiert aufgelistet bekommt. Denn die Bandzählung wird nach RDA ja vorlagegemäß erfasst; unter Umständen steht beim dritten Teil "Band 3", beim vierten jedoch "Nummer 4". Anders als bei der hierarchischen Beschreibung kann dies auch nicht mit einer Sortierzählung ("3", "4" etc.) umgangen werden. Man kann daher nur auf das Erscheinungsjahr zurückgreifen, was zwangsläufig zu Unschärfen führt.

Da es keinen Datensatz für die Reihe als Ganzes gibt, erhalten BenutzerInnen außerdem keinen Hinweis darauf, wenn eine monografische Reihe ihren Titel geändert hat. Sie finden dann also nur die Bände, die unter dem bisherigen Titel erschienen sind - und werden annehmen, dass es einfach keine weiteren Bände gibt.

Was machen eigentlich die Amerikaner?

Werfen wir an dieser Stelle einen Seitenblick auf die angloamerikanische Welt, wo grundsätzlich keine hierarchische Beschreibung praktiziert wird. Nichtsdestoweniger hat man sich eine Lösung ausgedacht, um auch bei analytischer Beschreibung ordentliche Bandlisten liefern zu können. Der folgende Screenshot aus dem klassischen OPAC (Hollis Classic) der Harvard Library zeigt zunächst, wie es für die BenutzerInnen aussieht:

Anzeige eines Bands einer monografischen Reihe im OPAC der Harvard Library
Anzeige eines Bands einer monografischen Reihe im OPAC der Harvard Library

Klickt man bei diesem Band aus der Reihe "Studia Judaica" auf die Reihenangabe unter "Other Titles", so erhält man - nach einem Zwischenschritt - eine Bandliste. Sie ist nicht perfekt (in der Kurzanzeige werden die Bandnummern nicht angezeigt), aber zumindest vollständig. Und sie enthält wirklich nur die Bände der gewünschten Reihe und nichts anderes. In der MARC-Ansicht sieht man, was technisch dahinter steckt:

MARC-Ansicht desselben Titels
MARC-Ansicht desselben Titels

Zusätzlich zur Vorlageform der Gesamttitelangabe (MARC 490) wird ein normierter Sucheinstieg für die monografische Reihe (MARC 830) erfasst. Dieser sorgt für die Zusammenführung aller Bände der Reihe. Deshalb muss die Angabe hier einem bestimmten, beim Erscheinen des ersten Bandes festgelegten Muster folgen, welches man in einem Normdatensatz für die Reihe ("series authority record") dokumentiert hat. Gibt es mehrere Reihen mit demselben Titel, so werden diese durch eine zusätzliche Angabe unterschieden - in unserem Beispiel hat man dafür den Verlag verwendet. Damit die Sortierung funktioniert, wird die Bandbezeichnung in 830 immer in derselben Form erfasst, unabhängig von der Form der Vorlage. Deshalb steht in 830 "Bd.", wie man es beim Anlegen des Normdatensatzes (noch zu AACR2-Zeiten) festgelegt hat, aber in 490 vorlagegemäß "Band".

Im Vergleich zu unserer Verknüpfungstechnik kam mir diese Praxis schon immer etwas "steinzeitlich" vor - und sie ist gewiss nicht weniger aufwendig. Es muss ja der Normdatensatz nicht nur angelegt, sondern immer wieder konsultiert werden. Nichtsdestotrotz ist diese Technik in der angloamerikanischen Welt immer noch weit verbreitet und entspricht der normalen Praxis des PCC (Program for Cooperative Cataloging). Ausgeschert ist allerdings die Library of Congress, die seit einigen Jahren keine normierten Sucheinstiege für monografische Reihen mehr erfasst - übrigens gegen den erklärten Widerstand der anderen Bibliotheken.

Vorteile der hierarchischen Beschreibung in der Erwerbung

Ich bin zwar keine Spezialistin für Erwerbungsfragen, denke aber, dass auch in diesem Bereich die Vorteile der hierarchischen Beschreibung erheblich sind. Denn zum einen erleichtert eine vollständige und zuverlässige Bandliste, wie man sie bei hierarchischer Beschreibung zur Verfügung hat, die Vorakzession. Wenn man sich hingegen nur auf die in der Gesamttitelangabe erfassten Informationen stützen kann, dauert die Recherche und Sichtung der Ergebnisse länger und ist fehleranfälliger.

Zum anderen werden über die Gesamtaufnahme der monografischen Reihe Informationen transportiert, die für ErwerbungsbibliothekarInnen hilfreich sind - beispielsweise der Hinweis, dass eine Reihe ihr Erscheinen eingestellt hat oder dass sich ihr Titel merklich geändert hat. In unserem kooperativen System - insbesondere bei Nutzung der ZDB - werden solche Informationen von der ersten Bibliothek dokumentiert, die die Änderung mitbekommen hat, und stehen dann sofort auch für alle anderen Bibliotheken zur Verfügung. Für Erwerbungszwecke (Anhängen von Bestands- und Bestelldaten) sind übrigens auch in HeBIS gemäß der Verbundrichtlinien weiterhin Gesamtaufnahmen für monografische Reihen erlaubt.

Auswirkungen in der Praxis

Entscheidet sich eine einzelne Bibliotheken oder ein Verbund dafür, bei der eigenen Katalogisierung keine hierarchische Beschreibung bei monografischen Reihen mehr zu praktizieren, dann muss diese Bibliothek bzw. der Verbund die vorhandenen Gesamtaufnahmen für monografischen Reihen im Katalog grundsätzlich ausblenden und die Funktion der Bandliste vollständig abschalten. Denn ansonsten würde es beispielsweise passieren, dass die ersten 20 Bände noch verknüpft sind, die späteren aber nicht mehr. Wer dann auf die Bandliste klickt, würde fälschlicherweise annehmen, dass nur die ersten 20 Bände vorhanden sind.

Durch das "Abklemmen" der hierarchischen Beschreibung würde man einen nicht unerheblichen Teil der Erschließungsleistung der letzten Jahrzehnte einfach "wegwerfen" - diese Vorstellung finde ich sehr problematisch. Konsequenterweise müsste man außerdem die Gesamttitelangaben der älteren Bände nachträglich mit zusätzlichen Informationen - z.B. der ISSN und Verknüpfungen zur Körperschaft - anreichern, um die aufgrund des Verlusts der Gesamtaufnahme wegfallenden Recherchemöglichkeiten auszugleichen. Ich halte es aber für eher unwahrscheinlich, dass dies tatsächlich passieren wird. Also werden die Suchmöglichkeiten für die älteren Bände künftig eingeschränkt sein, obwohl im Datenmaterial eigentlich alles Benötigte vorhanden wäre.

Besonders unbefriedigend stelle ich es mir vor, wenn im selben Verbund manche Bibliotheken weiterhin hierarchisch erschließen, andere aber nicht. Da es ja genügt, wenn eine einzige Bibliothek die Verknüpfungen anlegt, werden vermutlich bei vielen monografischen Reihen weiterhin hierarchische Datenstrukturen vorhanden sein. In einer Bibliothek, die sich für die analytische Beschreibung entschieden hat, kann man sie aber trotzdem nicht mehr nachnutzen. Denn die Bibliothek kann nicht sicher sein, ob wirklich in allen Fällen jemand anderes die Verknüpfung angelegt hat. Wird damit nicht das Ziel einer möglichst hohen Nachnutzung der Erschließungsdaten konterkariert?

Und was sind die Folgen für einen Verbundkatalog, wenn beide Formen der Erschließung zulässig sind? Anders als in einem lokalen Katalog kann man die Gesamtaufnahmen und die Verknüpfungen nicht einfach "unsichtbar" machen. Die Situation wäre dann inkonsistent: Ein Teil der Bände wäre mit der übergeordneten Aufnahme verknüpft - einerseits alle älteren Bände sowie neuere Bände, sofern sie von mindestens einer Bibliothek erworben wurden, die die hierarchische Beschreibung beibehalten hat. Andere Bände derselben Reihe, die nur im Bestand von analytisch erschließenden Bibliotheken vorhanden sind, wären hingegen nicht verknüpft. Auch dies scheint mir kein erstrebenswerter Zustand.

Überhaupt nicht vorstellen kann ich es mir, wenn eine Bibliothek bestimmte gezählte monografische Reihen weiterhin hierarchisch erschließt, andere aber nicht - auch dies kommt aber offenbar vor. M.E. bedeutet dies, dass man die hierarchischen Strukturen im lokalen Katalog nicht grundsätzlich abschalten kann. Damit hätte man bei den nur noch analytisch erschlossenen Reihen zwangsläufig eine disparate Situation im Katalog: Manche Bände sind verknüpft, andere nicht. Oder kann man eventuell die Datensätze der weiterhin hierarchisch beschriebenen Reihen so markieren, dass nur bei ihnen die Verknüpfungsstruktur im Katalog genutzt wird, nicht aber bei monografischen Reihen ohne diese Kennzeichnung? Mir scheint dies schwer vorstellbar, aber vielleicht können die IT-Abteilungen solche Lösungen tatsächlich herbeizaubern. Man darf gespannt sein.

Beziehungen, Beziehungen, Beziehungen

Nach all den praktischen Aspekten zum Abschluss noch eine grundsätzliche Überlegung: Natürlich wissen wir alle, dass in der angloamerikanischen Welt ein "flaches Datenmodell" ohne Datensatzverknüpfungen normal ist. Insofern mag es auf den ersten Blick so aussehen, als wären wir sozusagen "the odd one out". Aber die Welt der Daten hat sich in den letzten Jahren schon erheblich verändert, und die Entwicklung geht unbestreitbar in eine Richtung, in die unser Verknüpfungsdatenmodell bestens hineinpasst. Beziehungen zwischen Daten ist das, was alle wollen: Es ist nicht nur der Kerngedanke von "Linked open data" (LOD), sondern es ist auch ein zentraler Aspekt von RDA. Und: Beziehungen sollen nicht mehr über normierte Textstrings ausgedrückt werden, sondern über Identifier - am besten natürlich über URIs.

Leider lässt sich MARC nicht von heute auf morgen abschaffen, wodurch die Entwicklung immer wieder gebremst wird. Aber auch in der angloamerikanischen Welt besteht der erklärte Wille, zu etwas Neuem zu kommen. Und es wird nicht mehr nur davon geredet, sondern es wird tatsächlich gemacht - auch wenn die BIBFRAME-Initiative vielleicht noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie man es sich wünschen würde. Aufhorchen lässt beispielsweise die Nachricht über ein großes Projekt mit dem Titel Linked Data for Production. Darin streben nun sechs maßgebliche amerikanische Player (Columbia, Cornell, Harvard, Library of Congress, Princeton, Stanford) an, die Verarbeitung bibliografischer Daten auf eine LOD-Plattform umzustellen. Angesichts der angekündigten technologischen Basis scheint es mir keine Frage, dass Beziehungen zwischen Daten in solchen neuen Systemen eine Schlüsselrolle zukommen wird.

Pressemeldung zum Projekt "Linked Data for Production"
Pressemeldung zum Projekt "Linked Data for Production"

Und gerade zu einem solchen Zeitpunkt stellen wir - die wir mit unserem Datenmodell in vielem weiter sind als die Amerikaner - die Abbildung von Beziehungen durch die Verknüpfung von Datensätzen in Frage? Das wäre gewiss keine sehr weitsichtige Strategie. Wir sollten vielmehr alles daran setzen, unsere bisherigen technischen Lösungen nicht nur zu erhalten, sondern sie zukunftsfähig weiterzuentwickeln.

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 9
  • #1

    G. Langhanke (Freitag, 10 Juni 2016 18:32)

    Vielen Dank für diesen sehr erhellenden Blog-Eintrag (aus einer leidgeprüften hessischen Bibliothek)!

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Samstag, 11 Juni 2016 08:18)

    Ein Nachtrag: Herr Witte hat mich darauf hingewiesen, dass man auch im Hollis Classic eine sehr schöne Bandliste inkl. der Bandnummern bekommt, wenn man den richtigen Knopf drückt. Nach dem Klick auf den Reihentitel beim Band kommt ja noch ein Zwischenschritt; dort muss man dann auf der rechten Seite den Link "Sorted index" drücken.
    Herr Witte hat auch gleich ein Beispiel für eine monografische Reihe in Hollis Classic gefunden, bei dem die Sortierung nicht stimmt: Bei den "Arbeiten zur Kirchengeschichte" passt die Abfolge der letzten Bände nicht. Ich habe es mir angeschaut: Es liegt daran, dass bei den betroffenen Bänden zwar eine 830 erfasst worden ist, diese aber nicht korrekt nach dem im Normdatensatz vorgegebenen Muster "befüllt" wurde. Man sieht, dass die amerikanische Technik fehleranfälliger ist als unsere Verknüpfungsmethode.
    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller

  • #3

    Margarete Payer (Samstag, 11 Juni 2016 12:09)

    Liebe Frau Wiesenmüller,

    die D-A-CH-Anwendung hatte ich wohl fälschlicherweise so interpretiert, dass man bei z.B. Verlegerserien auf eine Reihenaufnahme verzichten kann. Jetzt bin ich entsetzt, dass man so benutzerunfreundlich werden will und nur noch analytische Beschreibungen anbietet!
    Danke schön für das Sammeln der Argumente für die hierarchische Beschreibung! Mir fällt kein weiteres Argument ein, möchte aber folgendes betonen:
    Als Benutzer habe ich immer wieder nachgesehen, was in einer für mich interessanten Schriftenreihe erschienen ist (man kennt ja vor allem neue Verfasser nicht). Wenn das jetzt nicht fortgesetzt wird, gehe ich doch automatisch davon aus, dass die Schriftenreihe aufgegeben wurde. Das von Ihnen gebrachte Beispiel aus dem WLB-OPAC zeigt doch, wie benutzerfreundlich man sein kann; es sollten allerdings alle Titel gezeigt werden können.
    Schöne Grüße
    Margarete Payer

  • #4

    Heidrun Wiesenmüller (Samstag, 11 Juni 2016 12:44)

    Liebe Frau Payer,
    noch kurz eine Ergänzung zum aDIS-OPAC: Wenn eine bestimmte Zahl von Bänden überschritten ist, wird nicht mehr direkt die Bandliste, sondern nur ein Link angezeigt (z.B. "137 Bände zur Auswahl"). Schöner wäre es, wenn auch bei einer großen Zahl zumindest der Anfang der Bandliste angezeigt würde. Man könnte ja z.B. in einem solchen Fall nur die ersten 20 oder 30 Bände zeigen und dann einen Link zum Weiterblättern anbringen.
    Zur Grundsatzfrage: Ehrlich gesagt war mir die Tragweite der D-A-CH-Regelung auch nicht so richtig bewusst, als sie beschlossen wurde, bzw. ich hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, dass sie solche Folgen haben könnte...
    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller

  • #5

    Claudia Reiter (Montag, 13 Juni 2016 08:18)

    Liebe Frau Wiesenmüller,
    vielen, vielen Dank für diese klaren Worte! Nicht nur als Katalogisiererin sondern auch an der Infotheke, wenn jemand mit einem unvollständigen Zitat daherkommt, weiß ich die Arbeitserleichterung durch die Serienverknüpfung sehr zu schätzen.
    Claudia Reiter (aus einer Bibliothek, die sich gegen die Verknüpfung entschieden hat)

  • #6

    Andrea Junker (Donnerstag, 16 Juni 2016 08:14)

    Ein weiterer, wichtiger Aspekt im Hinblick auf die Erwerbung:
    Bei Fortsetzungsbestellungen werden die Bestell- und Erwerbungsdaten in den Lokalsystemen in der Regel mit der übergeordneten Gesamtaufnahme verknüpft - diese Möglichkeit würde bei der rein analytischen Beschreibungen der Teile von monografischen Reihen komplett entfallen und die Erwerbungsabteilungen in Bibliotheken vor nicht unerhebliche Probleme stellen!

  • #7

    Heidrun Wiesenmüller (Donnerstag, 16 Juni 2016 08:56)

    Liebe Frau Junker,

    ja. Das ist vermutlich auch der Grund, warum in HeBIS weiterhin Gesamtaufnahmen angelegt werden dürfen. Nur verknüpfen darf man sie nicht mehr...

    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller

  • #8

    Matthias Crönert (Sonntag, 19 Juni 2016 18:53)

    Auch wenn ich jetzt als Rentner das Thema "RDA" nur noch aus der Distanz verfolge, bin ich doch ziemlich entsetzt, dass mit dem neuen Regelwerk nun ermöglicht wird, die hierarchische Beschreibung monografischer Reihen abzuschaffen.
    Weder die umfassende Beschreibung, noch die analytische Beschreibung können ernsthaft als gleichwertige Alternativen betrachtet werden. Denn allein die hierarchische Beschreibung umfasst – sinnvoll verknüpft und redundanzfrei – sämtliche bibliografisch relevanten Informationen zur Reihe und ihren einzelnen Bänden.
    Nebenbei: Warum wird nach RDA die Beschreibung der bibliografisch selbständigen Bände einer Reihe als "analytisch" bezeichnet? (Als "analytische Beschreibung" galt doch bislang speziell die Beschreibung bibliografisch unselbständiger Werke, z.B. Aufsätze.)

  • #9

    Marita Dickenscheid (Mittwoch, 29 Juni 2016 21:00)

    Liebe Frau Wiesenmüller,

    Sie schreiben mir aus dem Herzen. Im NRW-Verbund hat man von den neuen Möglichkeiten (bisher) nur bei Verlegerserien Gebrauch gemacht (es wird eine feste Liste verwendet, die aus dem BVB übernommen wurde). Man will über die anderen Serien später entscheiden und dabei die Erfahrungen der anderen Verbünde berücksichtigen.

    Keine Ahnung, wie die endgültige Entscheidung ausfallen wird. Als ich darüber berichtet habe, waren die meisten Kolleginnen und Kollegen (auch außerhalb der Katalogisierung) ziemlich entsetzt.

    Allerdings muss ich sagen, dass im Einzelfall Serien ganz schön viel Arbeit machen können. Jeder, der schon mal einen Split nachträglich vornehmen musste, weil die Änderung relativ unauffällig, aber dennoch split-relevant war, weiß davon ein Lied zu singen - insbesondere natürlich in einem großen Verbund.

    Wenn man nicht mit der Serie verknüpfen muss und auch darauf verzichtet, den Informationsverlust aufzufangen oder zu minimieren, braucht man auf so etwas natürlich nicht mehr zu achten ...

    Macht demnächst alles das Discovery-System.