Die deutschen Proposals 2016

Der 31. Juli war der Abgabetermin für die Proposals und Discussion papers, über die auf der jährlichen Sitzung des RSC (diesmal in Frankfurt vom 7. bis 11. November 2016) entschieden werden soll. Bisher sind 20 Papiere auf der RSC-Seite der neuen Dokumente eingestellt worden. Dies wäre ungewöhnlich wenig - in den letzten Jahren waren es immer etwa 40. Es kann aber gut sein, dass heute Nacht bzw. in den nächsten Tagen noch ein bisschen was "hinterherkleckert".

Übersicht der Proposals und Discussion papers 2016 (Stand: 02.08.2016)
Übersicht der Proposals und Discussion papers 2016 (Stand: 02.08.2016)

Besonders fleißig war die neue RSC Rare Materials Working Group, die gleich sechs Vorschläge eingebracht hat. Die RSC Music Working Group ist mit vier Beiträgen vertreten. Von der Library of Congress kommen diesmal drei Dokumente, von der ALA ebenfalls drei; außerdem gibt es noch ein gemeinsames Discussion paper von der ALA und den Kanadiern. Nachdem es letztes Jahr keine deutsche Einreichung gab, weil wir voll und ganz mit dem Umstieg beschäftigt waren, haben wir uns diesmal wieder beteiligt: Drei Proposals stammen von der deutschsprachigen Community. Diese erscheinen jetzt aber nicht mehr wie bisher unter "DNB", sondern unter "Europe".

Hintergrund dafür ist die Umstrukturierung des RSC im Zuge der weiteren Internationalisierung von RDA: Künftig werden die Mitglieder nicht mehr Vertreter einer einzelnen Institution oder eines nationalen Verbands sein, sondern es soll Vertretungen für die sechs Großregionen Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika (mit Karibik), Nordamerika und Ozeanien geben. In diesem Prozess haben die Europäer den Anfang gemacht: Bereits letztes Jahr gab es nur noch einen Vertreter für Großbritannien (davor waren es zwei, für CILIP und die British Library). In diesem Jahr gibt es nur noch eine gesamteuropäische Vertretung. Diese wird für eine Übergangszeit (2016-2018) von der DNB wahrgenommen und danach an die European RDA Interest Group (EURIG) übergehen. Auf dem EURIG Meeting in Riga wurden neue Spielregeln und Strukturen festgelegt, um dem veränderten Charakter der EURIG gerecht zu werden.

Die drei "europäischen" (de facto deutschsprachigen) Proposals stelle ich im Folgenden kurz vor.

Informationsquellen-Proposal

Das umfangreichste und wohl auch komplexeste der drei Proposals (RSC/Europe/1) fasst drei Aspekte aus dem Bereich Informationsquellen zusammen. An seiner Erstellung waren eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus der AG RDA (und darüber hinaus) beteiligt.

Im ersten Teil geht es um Bewegtbildressourcen wie Filme, z.B. auf DVD (RDA 2.2.2.3). Bekanntlich ist die bevorzugte Informationsquelle in diesem Fall gemäß der Grundregel das Titelbild bzw. der Titelbildschirm. Wir haben uns stattdessen für die Alternativregel entschieden, verwenden also eine Beschriftung oder ein Etikett, das auf der Ressource selbst fest angebracht ist und das einen Titel enthält. Vor einiger Zeit haben wir das zugehörige D-A-CH folgendermaßen erweitert: "Liegt kein fest angebrachtes Label vor, das einen Titel enthält, oder ist das Label offensichtlich nicht als bevorzugte Informationsquelle geeignet, so wenden Sie 2.2.2.3.1 RDA ab Punkt b) an." Das hing mit Beispielen wie "Hänsel & Gretel Hexenjäger" zusammen, bei dem auf der DVD nur der englische Originaltitel zu finden ist (vgl. den Blog-Beitrag).

Im Proposal sind wir noch etwas weitergegangen und haben vorgeschlagen, die Alternative in RDA 2.2.2.3 so abzuändern, dass das Behältnis grundsätzlich gleichwertig zu einem fest angebrachten Etikett ist. Sollte dies akzeptiert werden, könnte man also gemäß cataloger's judgement entscheiden, ob man das Etikett oder das Behältnis als bevorzugte Informationsquelle wählt. Im zweiten Teil des Proposals haben wir einen ähnlich gelagerten Vorschlag auch für RDA 2.2.2.4.1 (Sonstige Ressourcen: Materielle Ressourcen) gemacht.

Im dritten Teil des Proposals geht es um einen anderen Aspekt, der z.B. bei Digitalisierungen auftaucht: Gelten Angaben auf der Frontdoor (z.B. die Bibliothek, die das Digitalisat erstellt hat, und das Erscheinungsdatum des Digitalisats) als Teil der Ressource oder nicht - d.h. muss man sie eckig klammern oder nicht? Auch dies haben wir für uns schon in Form eines D-A-CHs bei RDA 2.2.2.1 gelöst: "Bei elektronischen Ressourcen werden eingebettete Metadaten sowie Metadaten auf direkt zur Ressource führenden Webseiten (Frontdoor-Seiten, Landingpages) als Teil der Ressource betrachtet." Das Proposal zielt nun darauf ab, diese Sichtweise auch in das Regelwerk selbst hineinzubekommen.

Mal sehen, ob das alles so klappt, wie wir es uns vorstellen. Übrigens habe ich gerade einen Tippfehler im letzten Absatz auf der ersten Seite gefunden (da fehlen zwei Buchstaben, es muss heißen: "With the

switch to RDA ..."). Komisch, dass das niemand gesehen hatte (mich eingeschlossen). Aber daran wird es wohl nicht scheitern ;-)

Drehbuchautor-Proposal

Unser zweites Proposal (RSC/Europe/2) betrifft wiederum ein Thema, das wir für uns selbst bereits mit einem D-A-CH geregelt haben: In RDA steht "Drehbuchautor" im Anhang I bei den Beziehungskennzeichnungen für geistige Schöpfer. Es dürfte also nur verwendet werden, wenn man das Drehbuch selbst katalogisiert - nicht aber, wenn man einen Film katalogisiert und dabei eine Beziehung zum Drehbuchautor anlegen möchte. Unser D-A-CH bei RDA Anhang I.2.1 lautet:

"Verwenden Sie die Beziehungskennzeichnung "Drehbuchautor" (abweichend von ihrer Positionierung in Anhang I) nicht, wenn Sie ein Drehbuch katalogisieren. Verwenden Sie in diesem Fall "Verfasser" für den geistigen Schöpfer. Verwenden Sie "Drehbuchautor" nur dann, wenn Sie einen Film katalogisieren. Die Person ist in diesem Fall nicht geistiger Schöpfer, sondern gehört zu den sonstigen Personen, Familien und Körperschaften, die mit einem Werk in Verbindung stehen."

Im Proposal schlagen wir vor, dies in RDA entsprechend anzupassen: Die Beziehungskennzeichnung "Drehbuchautor" soll (mit einer leicht geänderten Definition) von RDA Anhang I.2.1 nach I.2.2 verschoben werden - also von den geistigen Schöpfern zu den sonstigen Personen etc., die mit einem Werk in Verbindung stehen. Dieses Proposal wurde von der Themengruppe Werke erarbeitet.

Proposal zu Zitaten in Anmerkungen

Relativ spontan und kurzfristig ist noch ein Proposal zur Form von Zitaten in Anmerkungen entstanden (RSC/Europe/3), das ich weitgehend alleine geschrieben habe. Ich hatte mich schon lange darüber geärgert, dass in RDA 1.10.3 zum einen eine genaue Reihenfolge vorgeschrieben ist (die Quelle kommt immer hinter dem Zitat) und zum anderen die Verwendung von Anführungszeichen.

Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Frau Horny und ich haben das, ehrlich gesagt, anfangs gar nicht so ernst genommen. In der Pica-Umsetzung von Beispiel 13-11 auf der Website hatten wir, wenn ich mich recht entsinne, in der ersten Fassung das Element 2.17.2 Anmerkung zum Titel so umgesetzt:

Auf dem Umschlag: Übungen, Tricks und Spiele

Wir hatten aber offenbar die Genauigkeit hiesiger Katalogisiererinnen und Katalogisierer unterschätzt, die (wie es eben unserer deutschen Wesensart entspricht) die Vorgabe aus RDA 1.10.3 exakt umsetzen wollten. Das wurde auch mal in den Kommentaren zum Blog-Beitrag Kurze vs. lange Verantwortlichkeitsangabe diskutiert.

Später haben wir dann bei unserer Lösung zumindest noch die Anführungszeichen ergänzt, sind aber störrisch bei der Form mit der Phrase am Anfang geblieben, also:

Auf dem Umschlag: "Übungen, Tricks und Spiele"

und nicht:

"Übungen, Tricks und Spiele" (Umschlag)

Ich hatte dann einen gewaltigen Aha-Effekt, als eine Kollegin darauf hinwies, das in RDA 2.17 doch zahlreiche Beispiele für Anmerkungen zu finden seien, die nicht dem Muster von RDA 1.10.3 folgen, sondern genauso aussehen, wie uns das sinnvoll scheint. Beispielsweise in RDA 2.17.2.3:

Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Eine Diskussion auf der RDA List bestätigte, dass diese Art von Anmerkung in der angloamerikanischen Welt eine absolut gängige Praxis ist. Umso merkwürdiger ist die strenge Regulierung in RDA 1.10.3. Frau Horny hat die Vermutung angestellt, dass hier einfach bei der Umarbeitung aus AACR2 ein Fehler passiert ist; in AACR2 1.7 kommen nämlich beide Formen von Anmerkungen vor.

Wenn das Proposal durchgeht, wäre jedenfalls die ursprüngliche Lösung (Auf dem Umschlag: Übungen, Tricks und Spiele) eindeutig erlaubt. Dies wäre mir sehr sympathisch - auch wenn wir dann nochmal sämtliche Schulungsunterlagen auf diesen Fall hin sichten und ggf. ändern müssten.

Erreicht werden soll dies durch folgende Neuformulierung der Regel in 1.10.3:

"When recording quotations from the resource or from other sources, indicate the source of the quotation. Use quotation marks, if considered necessary for clarity. The indication of the source may be omitted if that source is the preferred source of information for the identification of the resource (see 2.2.2 RDA)."

Es würde dann also nicht mehr festgelegt, an welcher Position die Quelle stehen soll, und Anführungszeichen müsste man nur dann setzen, wenn sie zum Verständnis wirklich nötig sind. Zusätzlich sollen die bestehende Beispiele nach dem ersten Muster durch weitere ergänzt werden, die dem zweiten Muster folgen.

Review-Prozess

Soweit die Vorstellung unserer Proposals. Wie immer, müssen im nächsten Schritt alle im RSC vertretenen Communities sämtliche eingereichten Papiere (mit Ausnahme der eigenen) kommentieren. Die AG RDA wird am 20. September über die Proposals beraten. Die Stellungnahmen müssen bis Anfang Oktober abgegeben werden und werden dann wiederum auf der Website des RSC veröffentlicht. Auf der Basis der Stellungnahmen trifft dann das RSC auf der November-Sitzung die endgültigen Entscheidungen.

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 1
  • #1

    Steffen, Katherina (Dienstag, 02 August 2016 18:35)

    Drehbuchautoren: ich möchte darauf hinweisen, dass zumindest in den USA ein Drehbuchautor einer Serienepisode durchaus als geistiger Schöpfer angesehen wird - ich spreche jetzt nicht von bibliothekarischer Sicht, sondern von der Sicht der "industry". Dort ist der Regisseur zwar der "König" bei Kinofilmen, nicht aber bei Fernsehserien - hier gilt der Drehbuchautor als hauptsächlicher geistiger Schöpfer. Wer da nun grade bei welcher Episode Regie geführt hat, ist für den Schöpfungsprozess zweitrangig - der Regisseur sorgt für die Interpretation wie ein Dirigent bei einer Symphonie. Es könnte sein, dass das in Deutschland anders gesehen wird, da bin ich aber nicht auf dem Laufenden.