RSC Meeting in Frankfurt (Teil 1)

Erstmalig fand das Jahrestreffen des RDA Steering Committee (RSC) - des Lenkungsgremiums für die Entwicklung von RDA - in Deutschland statt, und zwar an der DNB in Frankfurt. Das RSC tagte von Montag, 7. November, bis Freitag, 11. November. Die "public sessions", bei denen man als "observer" zuhören kann, fanden von Dienstag nachmittag bis Freitag vormittag statt. Die restliche Zeit war für die "executive sessions" reserviert. Die vollständige Tagesordnung für die Mammutsitzung ist auf der RSC-Website abrufbar.

Die Einladung zur Teilnahme als "Observer" auf der RSC-Website
Die Einladung zur Teilnahme als "Observer" auf der RSC-Website

Ich habe mir die Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen und war beim öffentlichen Programm dabei (von Dienstag nachmittag bis Donnerstag abend), sodass ich jetzt aus erster Hand berichten kann. In diesem Blog-Beitrag will ich zum einen allgemein darüber berichten, wie so eine Sitzung abläuft, und zum anderen die Ergebnisse bei den drei europäischen Proposals dokumentieren. In einem weiteren Beitrag werde ich mich danach den Neuigkeiten vom "3R project" widmen. Ich hatte darüber bereits in einem früheren Blog-Beitrag berichtet. Auf der Sitzung wurde nun aber klar, dass dieses Projekt deutlich größer angelegt ist, als bislang bekannt war: Die Neustrukturierung wird offenbar auch den Text von RDA selbst betreffen, um diesen an den künftigen Standard LRM anzupassen. Voraussichtlich brauche ich dann noch einen dritten Blog-Beitrag für einige andere interessante Themen von der Sitzung.

Allgemeines zur Sitzung

Wie wird man nun also Beobachter beim RSC Meeting? Schon einige Monate vor dem Termin gibt es eine offizielle Ankündigung unter dem Motto "Observers welcome", dass man als Beobachter teilnehmen kann. Um sich einen Platz zu reservieren, genügte eine formlose Mail an die RSC Secretary und den RSC Chair.

Kurz vor der Sitzung erhielten wir Beobachter noch einige Unterlagen, u.a. zusätzliche Vorlagen für die Sitzung, eine Liste der angemeldeten Beobachter sowie Verhaltensmaßregeln. Diese klangen zunächst reichlich streng (z.B. kein Twittern oder Fotografieren in der Sitzung, Beobachter müssen zur Mittagspause und am Sitzungsende umgehend den Raum verlassen) und riefen teilweise Schmunzeln hervor ("Give RSC members priority space in the line for use of bathrooms during the short morning and afternoon breaks").

Faktisch war das aber alles ganz locker. Das Fotografierverbot wurde offiziell aufgehoben; das unten gezeigte Foto veröffentliche ich mit expliziter Erlaubnis des RSC-Vorsitzenden. Die Sitzungsteilnehmer saßen am zentralen runden Tisch im großen Sitzungszimmer der DNB im Dachgeschoss, die Stühle für die Beobachter waren an den Fensterfronten aufgestellt (auf Tische mussten wir allerdings verzichten). Kaffee, Wasser, Kekse und Kuchen waren auch für die Beobachter da, und in den Kaffeepausen konnte man sich auch mal kurz mit RSC-Mitgliedern unterhalten.

Impression vom RSC Meeting (kurz vor Beginn der Sitzung am Donnerstag morgen)
Impression vom RSC Meeting (kurz vor Beginn der Sitzung am Donnerstag morgen)

Etwa 20 Beobachter waren vertreten - nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Frankreich, Italien, Portugal, Tschechien, Slowenien, Kroatien, Finnland und Island. Einige der Beobachter hatten einen Berichtspunkt auf der Sitzung (z.B. Massimo Gentili-Tedeschi als Vorsitzender der ISBD Review Group). Zu meiner Überraschung war es den Beobachtern aber auch ansonsten erlaubt, sich zu melden, wenn man im Verlauf der Sitzung etwas sagen wollte. Und am Donnerstag nachmittag wurden die Beobachter für eine Diskussion zur Umsetzung von FRBR-LRM sogar mit an den großen Tisch gebeten.

Das RSC im engen Sinn ist eine recht kleine Runde (vgl. RSC members). Neben dem Vorsitzenden, Gordon Dunsire (im Foto ganz rechts), der RSC Secretary - derzeit Judy Kuhagen, demnächst Linda Barnhart (beide auf dem Foto im Vordergrund, neben Gordon sitzend) - gehören dazu vor allem die VertreterInnen der Constituencies. Dies sind derzeit Dave Reeser für die Library of Congress (auf dem Foto im Hintergrund, rechts von der Tür zur Terasse), Kathy Glennan für die ALA (auf der anderen Seite der Tür sitzend), Bill Leonard für das Canadian Committee on Cataloguing (stehend), Ebe Kartus für das Australian Committee on Cataloguing (mit den kurzen roten Haaren) sowie die europäische Vertreterin, Renate Behrens (nicht im Bild). Schließlich ist Kate James (zwischen Kathy und Bill) als RDA Examples Editor ebenfalls Teil des RSC.

Anwesend waren außerdem James Hennelly, der für das RDA Toolkit zuständig ist (im Foto vorne links), teilweise Simon Berney-Edwards, der Vorsitzende des RDA Boards (nicht im Bild) sowie die Vorsitzenden von zwei RSC Working Groups: Deborah Fritz für die Aggregates Working Group und Damian Iseminger für die Music Working Group (beide nicht im Bild). Der Vorsitzende der Rare Materials Working Group, Francis Lapka, wurde zum entsprechenden Tagesordnungspunkt per Online-Konferenz zugeschaltet. Ein offizielles Foto der Sitzungsteilnehmer ist derzeit schon im RDA-Info-Wiki zu betrachten (dort gibt es auch einen Bericht über die Sitzung von Renate Behrens) und wird vermutlich in Bälde auch auf der RSC-Website veröffentlicht werden.

Die Sitzung selbst verlief erstaunlich wenig formalisiert. Bei der Besprechung der Proposals und Discussion papers stellte der zuständige Vertreter bzw. die zuständige Vertreterin diese nochmals ganz kurz vor und fasste die Antworten der anderen Constituencies zusammen. Danach gab es einen je nach Thema mehr oder weniger langen Austausch. Die Diskussionen verliefen in hohem Maße konsensorientiert, wobei die Meinung des Vorsitzenden natürlich besonderes Gewicht hatte. Förmliche Abstimmungen, wie wir sie aus vielen unserer Gremien kennen, gab es nicht. Und da alle Beteiligten sehr flexibel agierten und teilweise in der Sitzung noch ganz neue Aspekte eingebracht wurden, war das Ergebnis am Ende keineswegs immer so, wie ich es nach den schriftlichen Reaktionen auf die Papiere erwartet hatte.

Ergebnisse bei den europäischen Proposals

Die drei europäischen Proposals (die faktisch Papiere der deutschsprachigen Community waren) hatte ich in einem früheren Blog-Beitrag bereits im Detail vorgestellt, sodass ich dies hier nicht wiederholen muss. Unter den im Folgenden angegebenen Links kann man jeweils auch die schriftlichen Stellungnahmen zu den Papieren nachlesen.

Informationsquellen-Proposal

Auf das Informationsquellen-Proposal (RSC/Europe/1) hatte es durchwachsene Reaktionen gegeben, und auch auf der Sitzung waren die Meinungen geteilt. Näher besprochen wurde eigentlich nur der erste Teil, in dem es um die bevorzugte Informationsquelle bei Filmen ging. Wir wollten hier ja eine größere Flexibilität haben und auch das Behältnis als bevorzugte Informationsquelle verwenden können. Eine Kritik an unserem Vorschlag war, dass es dann für dieselbe Sache mehrere unterschiedliche Beschreibungen geben könnte - bei unserem Beispielfilm "Hänsel & Gretel Hexenjäger" eine mit dem deutschen Haupttitel und eine mit dem italienischen. Diese Argumentation hat mich etwas gewundert, denn m.E. besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der DVD-Ausgabe für den deutschen Markt und der für den italienischen um zwei unterschiedliche Manifestationen handelt. Entsprechend sehe ich kein Problem darin, wenn beim Katalogisieren der deutschen Manifestation ein anderer Haupttitel gewählt wird als bei der italienischen. Ein weiterer Kritikpunkt war, dass Behältnisse unter Umständen nicht aufgehoben werden oder verloren gehen können - deshalb sei ein fest angebrachtes Etikett auf der Scheibe besser, wenn man schon nicht den Titelbildschirm selbst verwenden wolle. Unterstützung fand unser Wunsch hingegen bei der australischen Vertreterin. Denn offenbar ist es auch in Australien sehr verbreitet, nicht den Film zu starten, sondern den Titel vom Behältnis zu nehmen (mit einer Anmerkung "Title from container").

Unser Proposal wurde im Anschluss an ein Papier der Technical Working Group (RSC/TechnicalWG/1) behandelt. In diesem Dokument war u.a. vorgeschlagen worden, dass man bei jedem übertragenen Element die verwendete Informationsquelle in einem eigenen Meta-Element namens "Transcription Source" angeben können sollte. Darauf wurde dann auch bei der Diskussion über unser Proposal verwiesen. Plötzlich stand sogar ein recht radikaler Vorschlag im Raum: Das Konzept der bevorzugten Informationsquelle sei insgesamt verzichtbar, sofern bei jedem übertragenen Element mit angegeben werde, woher es stammt.

Ich persönlich denke, dass man damit weit über das Ziel hinausschießen würde. Denn auch wenn manchmal eine etwas größere Flexibilität bei ihrer Wahl gut wäre, so hat die Existenz einer bevorzugten Informationsquelle insgesamt doch durchaus ihre Berechtigung. Gerade, wenn dieselbe Angabe an mehreren Stellen in der Ressource vorhanden ist, ist es gewiss sinnvoll, der Variante den Vorzug zu geben, die an der prominenteren Stelle steht. Wenn der Verlag also "Kosmos" auf die Titelseite schreibt, dann möchte er offensichtlich von den Lesern in dieser griffigen Form wahrgenommen werden - und nicht mit dem Namen "Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH & Co. KG", den man im Impressum bei der Copyright-Angabe findet. Dies entspricht auch dem Grundprinzip von RDA, die Ressourcen so darzustellen, wie sie sich selbst darstellen. Es liegt auf der Hand, dass man sich dafür die "Vorderfassade" (sozusagen die "Schauseite") der Ressource ansehen muss und nicht den "Hinterhof".

Schließlich wurden die ersten beiden Teile des Proposals zurückgestellt. Die dort aufgeworfene Problematik der bevorzugten Informationsquellen soll auf einer allgemeineren Ebene betrachtet werden, und zwar im Rahmen des 3R-Projekts. Für uns ist diese Verschiebung aber zum Glück unproblematisch, da wir im D-A-CH zu 2.2.2.3 eine entsprechende Regelung für den deutschsprachigen Raum getroffen haben.

Zumindest ein Detail aus unserem Papier soll aber doch gleich umgesetzt werden, nämlich die Überarbeitung der Definition für "Behältnis". Diese soll gemäß dem Verbesserungsvorschlag der ALA (in der ALA-Response auf S. 4) durch den folgenden Satz ergänzt werden: "Consider information which is visible through the housing to be on the container."

Im dritten Teil des Informationsressourcen-Proposals ging es um die Frage, ob bei elektronischen Ressourcen Metadaten auf Frontdoor-Seiten u.ä. als Teil der Ressource zu betrachten sind oder nicht. Dieser Aspekt wurde im Zusammenhang mit einem amerikanisch-kanadischen Discussion paper (RSC/ALA-CCC/Discussion/1) kurz angesprochen, das sich mit einigen grundsätzlichen Fragen zum Thema Begleitmaterial beschäftigte. Die weitere Diskussion dieser Thematik soll in der Aggregates Working Group erfolgen. Dorthin wurde dann auch der dritte Teil unseres Proposals verwiesen.

Proposal zu Zitaten in Anmerkungen

Auch bei unserem Proposal zur Form von Zitaten in Anmerkungen (RSC/Europe/3) waren die Reaktionen im Vorfeld gemischt gewesen. Die Diskussion auf der Sitzung verlief dann aber erfreulich positiv, und am Ende wurde unser Vorschlag akzeptiert. Es wird also künftig explizit auch erlaubt sein, die Quelle vor dem Zitat anzugeben (statt dahinter), und Anführungszeichen müssen nur dann gesetzt werden, wenn sie zum Verständnis wirklich nötig sind. Die Neuformulierung von RDA 1.10.3 wird sich an der leicht modifizierten Fassung orientieren, die die ALA in ihrer Response beigesteuert hat. Es wurde gesagt, dass diese Änderung im Februar 2017 für den englischen Regelwerkstext umgesetzt werden soll. Nach dem neuen Zeitplan für die Updates bis zum Abschluss des 3R-Projekts (vgl. Bericht von Frau Behrens auf S. 2) müsste sie dann im August 2017 auch in die deutsche Übersetzung kommen.

Drehbuchautor-Proposal

Das Drehbuchautor-Proposal (RSC/Europe/2) zielte darauf ab, die Beziehungskennzeichnung "Drehbuchautor" (mit einer leicht geänderten Definition) von RDA Anhang I.2.1 nach I.2.2 zu verschieben. Die Rückmeldungen der Constituencies waren ausnahmslos positiv. In der Response der Library of Congress hieß es beispielsweise: "We thank the European community for identifying the concerns that have also been

expressed in our own community with some regularity." Insofern hatte ich eigentlich erwartet, dass unser Vorschlag problemlos durchgehen würde. Doch es kam anders, denn die Aggregates Working Group hatte in ihrer Antwort Einspruch erhoben: "We suggest that any changes to the current treatment of the "screenwriter" relationship should be postponed, pending further analysis by the AWG regarding the relationship of the screenwriter's screenplay to the movie, as per the AWG modeling of aggregates." Dem stimmte das RSC zu, sodass vorerst alles beim Alten bleibt.

Für uns ist dies nicht schlimm, da wir den Fall bereits im D-A-CH zu I.2.1 geregelt haben. Dennoch kann ich die Entscheidung nicht so richtig nachvollziehen. Denn zum einen ging es ja bei unserem Vorschlag nicht darum, eine ganz neue Richtung einzuschlagen, die dann unter Umständen mit der künftigen Behandlung der Aggregate in Konflikt hätte kommen können. Vielmehr wollten wir nur eine bestehende Inkonistenz beheben. Zum anderen kann ich beim besten Willen nicht erkennen, wie ein Film ein "Aggregat" sein könnte. Denn auch wenn am Entstehen eines Films viele Menschen beteiligt sind, so ist es doch eine ganzheitliche Schöpfung, die man - anders als z.B. eine Zusammenstellung - nicht sinnvoll in Einzelwerke zerlegen kann. Ich halte einen Film deshalb für ein gemeinschaftlich geschaffenes Werk. Aber warten wir ab, zu welchem Ergebnis die Aggregates Working Group kommen wird.

Soviel für heute! Ich werde versuchen, den nächsten Blog-Beitrag in dieser kleinen Serie zeitnah zu schreiben.

Nachtrag vom 17.11.2016: Zum zweiten Teil des Berichts geht es hier.

Heidrun Wiesenmüller

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